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"Hier fühlen wir uns alle zuhause, ich auch" - Clément Jodoin im Gespräch

SAMSTAG, 02. SEPTEMBER 2023
Clément Jodoin im Kabinengang des Haie-Zentrums. (Foto: Kölner Haie)

Im zweiten Teil des Interviews verrät uns Clément Jodin u.a., was er am KEC und der Stadt Köln so schätzt, warum er keinen Wert auf Social Media legt, wie er die Zeit abseits des Eises verbringt und welch wichtigstes Ziel er täglich verfolgt. (Hier geht’s zu Teil eins des Interviews)

Du hast viele Jahre als Assistenztrainer in der NHL gearbeitet – unter anderem für die Pittsburgh Pinguins, die Québec Nordiques oder auch die Montréal Canadiens. Was ist für dich der große Unterschied zwischen dem europäischen und dem nordamerikanischen Eishockey?

„Es ist eine komplett unterschiedliche Philosophie. In der NHL werden 82 Spiele gespielt, in der PENNY DEL 52. Man kann sich meiner Meinung nach hier in Deutschland besser auf die Partien vorbereiten. In der NHL bist du immer auf dem Broadway – du steigst ins Flugzeug, fährst in die Arena, steigst wieder ins Flugzeug und hast kaum Zeit zum Trainieren oder Abschalten. Es ist ein anderer Lebensrhythmus, du hast kaum Zeit zum Atmen.“

So drastisch?

„Wenn in der NHL die Saison beginnt, endet deine Freizeit und dein persönliches Leben. Wenn die Saison endet, bekommst du beides wieder. In Europa und damit auch Deutschland hält sich das viel mehr die Waage. Natürlich gibt’s auch hier Phasen, in denen man durch den Tunnel geht und nicht links oder rechts gucken kann, aber man hat ein besseres Gleichgewicht zwischen Privatem und Beruflichem. Was beide bzw. alle Ligen gleich haben: Die Spieler müssen immer performen. Die Verantwortung des Athleten ist demnach immer, auf seinen Körper und seine Physis zu achten – das fängt beim Essen an, beim Zeitpunkt des Schlafens, bei der Freizeitgestaltung und vielen anderen Kleinigkeiten. Denn eins ist klar, die Spieler sind auf dem Eis oder besser gesagt auf dem Broadway. Unsere Verantwortung ist es, die Leistung aufs Eis zu bringen. Dafür gibt’s wie gesagt kein magisches Rezept, sondern Handlungsvorschläge, die wir den Spielern mit an die Hand geben. Und wenn das Zusammenspiel dann funktioniert, kommen die Leute gerne in die Halle und kommen vor allen Dingen wieder. Die Fans identifizieren sich mit Spielern, die ihr Herz auf dem Eis lassen und verantwortungsvoll mit ihrer Rolle umgehen.“

Lass uns zum Ende noch über die Haie reden – was ist etwas beim KEC, was dir auffällt und vielleicht auch abgrenzt von den vielen anderen Klubs, für die du gearbeitet hast?

„Die Mannschaft und das Umfeld sind sehr, sehr familiär, was mir gut gefällt. Das findet man nicht überall. Der KEC hatte auch schwierigere Phasen, aber aktuell sind wir auf einem sehr guten Weg. Ich bin aber kein Freund davon, Vereine und Clubs miteinander zu vergleichen – jeder Verein hat etwas Besonderes. Köln ist eine wunderschöne Stadt, wir spielen in einem Amphitheater der obersten Klasse. Unsere Trainingsbedingungen sind exzellent. Diese Rahmenbedingungen ermöglichen es uns, gut zu arbeiten. Hier fühlen wir uns alle zuhause, ich auch. Ich komme jeden Tag gerne zur Arbeit.“

Schön zu hören.

„Für mich fühlt es nicht als Pflicht an, zu kommen, denn ich tue es wahnsinnig gerne. Alles ist sehr gut organisiert – wir sind sehr selbständig und überlassen nichts dem Zufall. Das merken die Spieler und das zeigt, dass auf allen Seiten professionell gearbeitet wird.“  

Welche Ziele hast du persönlich für die kommende Saison?

„Mein persönliches Ziel ist es, gesund zu bleiben (klopft dreimal auf den Tisch). Wenn ich nicht gesund bin, kann ich nicht gut arbeiten. Mit 71 Jahren ist es nicht selbstverständlich, fit zu sein, von daher bin ich dankbar, dass es gut läuft. Wenn’s ums Sportliche geht, dann sage ich, dass ich mit der Mannschaft besser sein möchte als vergangene Saison. Ich fokussiere mich auf das, was ich kontrollieren kann, und versuche dabei, alles Unkontrollierbare auszublenden. Das hat schon immer gut funktioniert. Wichtig ist immer zu beachten, dass die Jungs auf dem Schirm haben, worauf es beim Spiel ankommt: Fokus, Ausführung und Wettkampf.“

Würdest du sagen, Eishockey hält dich jung und fit?

„Absolut, für mich geht es täglich darum, mich an die Umgebung zu adaptieren und mit nachkommenden Generationen zu arbeiten. Ich komme nicht mit, wenn es um Social Media oder Technologien geht, kann aber trotzdem super mit den Spielern arbeiten, weil ich mich darauf einlasse und von ihnen lerne. Ich bin in Deutschland, in Köln, bei den Haien, also geht es für mich auch darum, die Geschichte der Stadt, des Vereins und des Landes aufzusaugen. Ich liebe Geschichte – wenn ich gegen 15 Uhr nach getaner Arbeit nach Hause komme, gehe ich mit meiner Frau spazieren und entdecke die wunderbare Gegend hier. Wir limitieren uns dabei nicht, sondern lassen uns einfach gehen. Dabei kann ich am besten abschalten. All das hält mich fit und jung.“

Zum Schluss: Was ist ein Fakt, den die wenigsten über dich wissen?

„Ich bin leidenschaftlicher Sammler. Briefmarken, alte Münzen oder auch Pins gehören zu meiner Sammlung. Im Sommer bin ich in Québec jeden Tag auf dem Fahrrad. Für mich ist die Natur der Ort, an dem ich Antworten auf alles finde. Daher gehe ich gerne auch mal allein, um mich selbst besser kennenzulernen. Im Sommer habe ich die Freiheit dazu, im Winter ist es stressiger, aber genau das macht für mich den Reiz aus. Von daher gehe ich voller Vorfreude nun in meine siebte Saison hier in Deutschland, obwohl ich seit sechs Jahren eigentlich guten Gewissens aufhören könnte.“