Am Freitag begann in Nottingham die Weltmeisterschaft der Division I – mit dabei: Die litauische Nationalmannschaft um Cheftrainer Ron Pasco, der sich in der litauischen Hauptstadt Vilnius und Umgebung mit seinem Team fit für die WM gemacht hat. Im Gespräch erzählt uns Ron, der in der regulären Saison Co-Trainer der Haie ist, u.a., was für ihn die grö
ten Unterschiede zwischen Chef- und Co-Trainer sind, wie er den litauischen Eishockey einschätzt und verrät, welche Eigenschaften seiner Spieler ihm besonders imponieren.Ron, wo erwischen wir Dich gerade?
Seit Freitag sind wir mit dem Team in England, am Samstag spielen wir dann schon recht früh in Nottingham gegen Polen, um 12:30 Uhr (MESZ) startet die Partie. Viel Zeit zum Luftholen bleibt dieser Tage also nicht. Die Jungs hatten über mehrere Wochen eine Art Trainingscamp, zu Beginn dieses Camps war ich noch nicht dabei, sondern bin erst etwas später dazugesto
en. Wir haben mit der Mannschaft in Vilnius gewohnt, das Training fand aber etwas au erhalb statt.Kann man die infrastrukturellen Bedingungen mit denen in Köln vergleichen?
Ich würde es nicht Eins zu Eins mit unserem Trainingszentrum oder der LANXESS arena vergleichen. Unser Training fand fast 50 Kilometer von Vilnius in einer kleineren Stadt namens Elektrènai statt. Die Halle ist etwas älter, aber sie ist vollkommen in Ordnung – natürlich sprechen wir nicht von einer Multifunktionshalle mit 10.000 Plätzen, aber es passen immerhin gut 2.000 Leute in die Halle und sie hat zuletzt einen Kraftraum bekommen, der gut ist. Alles, was wir brauchen, haben wir dort.
Wie können wir uns Dein Engagement vorstellen?
Das hat sich in den vergangenen Jahren etwas entwickelt. Erste Erfahrungen mit der Nationalmannschaft und dem litauischen Verband habe ich 2019 gesammelt, damals als Co-Trainer. Anschlie
end gab es eine Änderung auf der Headcoach-Position und der Verband fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, das Amt zu übernehmen.Was Du nach kurzer Überlegung getan hast.
Genau. In der Zwischenzeit kam dann leider Corona und hat erstmal alles zum Erliegen gebracht. 2022 ging dann aber alles wieder peu à peu los und während die deutsche Nationalmannschaft beispielsweise in Länderspielpausen beim Deutschland-Cup war, haben wir mit der litauischen Mannschaft beim Baltic Cup gespielt. Die Tätigkeit bei den Haien ging und geht immer vor, aber sobald es zeitlich passt und die Saison vorbei ist, kann und darf ich hier in Litauen einspringen.
Hast Du unter der Saison, die Du ja für uns als Assistenztrainer im Einsatz bist, schon Berührungspunkte mit der litauischen Nationalmannschaft?
Im Hintergrund gibt’s auf jeden Fall etwas zu tun. Wenn die Zeit es zulässt, spreche ich mit den Spielern und tausche mich mit ihnen aus. Im vergangenen Sommer konnten wir bei der WM einigerma
en überraschen, was das Interesse am litauischen Eishockey sowohl in der Bevölkerung als auch unter den Spielern hat wachsen lassen.Was sind für Dich die grö
ten Unterschiede zwischen den beiden unterschiedlichen Trainerrollen?Die Rollen sind schon unterschiedlich – in Litauen haben wir einen sehr kleinen Staff, weswegen ich hier als Headcoach auch Sachen mache, die ich bei den Haien als Co-Trainer mache. Wie ich bereits erwähnte, sind die Bedingungen einfach andere. Trotzdem ist es super interessant, die Erfahrung sammeln zu dürfen. In Köln arbeite ich zusammen mit Uwe und Clément und habe das Privileg, von den beiden und auch allen anderen im Team viel zu lernen. Davon profitiere ich bei meiner Tätigkeit in Litauen und versuche, meinen eigenen Weg zu finden. Jeder Job hat seine eigenen Herausforderungen, aber hier in Litauen gibt’s Punkte, mit denen du bei den Haien einfach nicht konfrontiert bist. Da gilt es, Lösungen zu finden und immer kreativ zu sein. Ich bin sehr dankbar für die Erfahrung, die ich sammeln darf und schätze das sehr. Zudem beeindruckt mich jeden Tag aufs Neue die Herangehensweise der Jungs.
Wie meinst Du das?
Sie sind sicherlich nicht die Talentiertesten, haben aber eine unfassbare Arbeitsethik, einen starken Zusammenhalt und wollen jeden Tag dazulernen. Das imponiert mir sehr.
Wie würdest Du die Qualität des Teams beschreiben, in welchen Ligen sind die Spieler aktiv?
Das ist sehr divers. Bei uns gibt es riesengro
e Unterschiede innerhalb des Kaders. Aktuell haben wir keinen NHL-Spieler, da gab es früher aber durchaus ein paar Akteure. Einige Jungs spielen in Litauen, andere spielen im Ausland – dann aber eher in unterklassigen Ligen. Und dennoch gibt es einige Jungs, wenn auch leider noch zu wenig, die auf sehr gutem europäischen Niveau spielen.Wie zum Beispiel?
Unser Torwart Mantas Armalis spielt für Leksands IF in Schweden und macht dort einen richtig guten Job. Ein anderer junger Spieler, Emilijus Krakauskas, versucht sich derzeit in der Schweiz und ist bei Lausanne oft in der vierten Angriffsreihe aktiv. Unser Kapitän Nerijus Ališauskas spielt aktuell in der Slowakei, war aber zuvor für Dinamo Riga in der KHL im Einsatz. Das sind so die Ausrei
er, alle anderen sind eher in unterklassigen Ligen unterwegs. Es gibt aber Hoffnung.Ja?
Drei litauische Teams haben eine Art Liga gegründet mit lettischen Teams und messen sich dort auf einem deutlich besseren Niveau. Davon profitiert der litauische Eishockey. Diese Zusammenarbeit ist gerade noch am Anfang, ist aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dennoch darf man nicht vergessen, dass bei uns im Team auch Spieler aktiv sind, die nebenbei noch arbeiten müssen und ihr Leben nicht ausschlie
lich durch Eishockey finanzieren können.Womit wir wieder bei den Unterschieden wären.
Wenn du auf niedrigem Niveau spielst, dann verdienst du nicht genug, um davon zu leben. Das betrifft bei uns nicht alle, aber ein paar Spieler gibt es dennoch, die zweigleisig unterwegs sind. Und das macht sich natürlich auch in der Trainingsarbeit bemerkbar. Wir spielen jetzt bei der WM gegen gute Gegner, bei denen Akteure auf dem Eis stehen, die jeden Tag trainieren und vom Sport leben. Da mitzuhalten, ist schwer. Wir haben einen sehr diversen Kader mit unterschiedlichem Leistungsniveau und Erfahrungsschätzen, aber gerade das macht die Arbeit so spannend und vielseitig.
Wie läuft die Kommunikation mit den Spielern?
Sie findet auf Englisch statt – gerade die jüngere Generation in Litauen spricht hervorragendes Englisch. Falls es mal Probleme in der Kabine oder auf dem Eis gibt, übersetzen die anderen Jungs.
Und wie sieht’s mit deinem Litauisch aus?
Ich kann ein ganz paar Brocken wie z.B. Begrü
ungen, aber das war’s dann auch schon, leider.Am Samstag geht’s los mit der B-WM mit Eurem Spiel gegen Polen. Ihr spielt in einer Gruppe mit Rumänien, Südkorea, Polen, Gro
britannien und Italien – was sind Deine und Eure Ziele?Wir wollen den Abstieg aus der Division I verhindern. Im vergangenen Jahr haben wir das schon geschafft. Leider ist unser Kader aktuell etwas dezimiert und nicht mit dem aus 2022 zu vergleichen. Wir haben einige Verletzte und können diese Jungs nicht mal eben so ersetzen. Es wird eine Riesen-Herausforderung, die Klasse zu halten.
Gegen welche Teams rechnet Ihr Euch denn Chancen aus?
Im vergangenen Jahr haben wir gegen Rumänien und Südkorea gewonnen, von daher richten sich unsere Blicke besonders auf diese Partien aus. Um ehrlich zu sein, kamen die Erfolge aber recht überraschend und auch dieses Jahr gehen wir nicht als Favorit in die Partien. Gegen England oder auch Italien wird es umso schwerer. 2019 sind wir in die Division I aufgestiegen und da dachten alle, es wäre ein Wunder, ein Spiel zu gewinnen, aber wir haben das geschafft.
Wie sieht dein Sommer aus, sobald Dein Engagement mit der litauischen Nationalmannschaft endet?
Wir fliegen nach Kanada mit der gesamten Familie. Darauf freue ich mich sehr.
Danke für das Gespräch, einen schönen Sommer und viel Erfolg bei der WM!